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Grenzen, Möglichkeiten, Krisenerfahrung

Teile aus meinem alltäglichen Gedankenchaos

 

Ob Menschen mit einem gewöhnlichen Lebenslauf ihre Grenzen genauso kennen wie ich?

Ja, das ist eine seltsame Frage, aber sie beschäftigt mich.

 

Wenn mein Leben immer nach Plan gelaufen wäre, würde ich mich vielleicht für unbesiegbar halten. Ich hätte nie erlebt, wie es ist am Boden zu liegen, ich hätte nicht nachvollziehen können, wie es ist, morgens nicht aus dem Bett zu kommen, keinen Hunger zu haben, den gesamten tag müde zu sein und abends dennoch nicht einschlafen zu können. Natürlich ist das etwas, was ich niemanden wünsche und damals habe ich diese Zeit verflucht, aber im Nachhinein glaube ich, dass ich dadurch etwas wichtiges gelernt habe.

Ich habe gelernt, dass ich nicht unverwundbar bin, dass ich nicht alles erreichen kann, dass das Leben endlich ist und dass es manchmal wehtut.

Was an dieser Erfahrung gut sein soll?
Wir alle leben mit bestimmten Vorstellungen. Früher dachten die Menschen, die Erde sei eine Scheibe. Sie hielten daran fest und fanden sich damit ab. Niemand getraute sich, diese Annahme zu überprüfen. Warum auch? Wenn wichtige Persönlichkeiten diese These vertraten, weshalb sollte es gelogen sein?
Heute wissen wir es allerdings besser. Warum? Weil jemand sich von der Masse abspaltete und sagte »Ich laufe jetzt einfach mal los und schaue, wie weit ich komme, bis ich von der Erde herunterfalle.« Die Person (wir wissen nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war/ Gleichberechtigung!) ging los und kam Jahre später, mit abgelaufenen Schuhen, verfilzten Haaren und nass (die Ozeane mussten auch überquert werden) zurück.


Gut, ganz so war es nicht, das gebe ich zu, doch ich will weniger auf die Geschichte, sondern mehr auf die Aussage dahinter anspielen. Man kann sich freiwillig dazu entscheiden an seine Grenzen zu gehen, oder das Schicksal kann einen aus der Bahn werfen und dazu zwingen die eigenen Annahmen von dem, was möglich ist, zu überprüfen. Wenn ich in meiner eigenen Realität lebe oder in der, die mir andere erzählen, glaube ich, dass die Erde eine Scheibe ist, dass Depressive niemals glücklich sein können und ich als psychisch Kranker keine Chance im Leben habe. Beginne ich jedoch an meine Grenzen zu gehen, zu schauen, was möglich ist, werde ich zu anderen Ergebnissen kommen.

Die erste Grenze, die Grenze nach unten, kennt man, wenn man am Boden liegt.

Was nicht möglich ist, erfährt man relativ schnell. In dem Moment, in dem man zu Fallen beginnt, begreift man, dass man nicht alles erreichen kann. Oder besser ausgedrückt: Nicht alles zu jeder Zeit erreichen kann. Wenn man wieder auf seinen Beinen steht, können sich die Regeln wieder ändern. Sprich: Ob etwas möglich ist, hängt nie von nur einem Faktor ab.
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Schlussabsatz:
Wenn ich meine Grenzen kenne und weiß, dass ich darüber herauswachsen kann, kenne ich meine Fähigkeiten, kann meinen willen einschätzen und somit auch meine Erfolgschancen. Bei Herausforderungen kann ich auf Erfahrungen zurückgreifen und besser einschätzen, was ich kann und wo ich Unterstützung brauche. Im besten Fall sogt das dafür, dass ich mir rechtzeitig Hilfe hole, bevor sprichwörtlich das Kind in den Brunnen gefallen ist. Jemand, der seine Grenzen nicht kennt, neigt hingegen oftmals dazu, sich selbst zu überschätzen und erst einmal gegen die Wand zu rennen. Also ja, Krisenerfahrungen haben auch in dem Leben nach der Krise Vorteile.

 

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